Selbstmitgefühl

Gefühle annehmen

Der Meditationslehrer Chinsen Young sagte einmal: Leid ist gleich Schmerz mal Widerstand.

Damit meint er: Die Realität ist, wie sie ist. Wenn wir sie verdrängen, verleugnen oder damit hadern, machen wir es uns noch schwerer. Unser Widerstand kostet nur Kraft – aber wir ändern damit nichts.

Akzeptieren wir hingegen, dass eine Situation ist, wie sie ist und unsere Gefühle sind, wie sie sind, wird das Leid annehmbar und wir sparen Kraft. Kraft, die wir dafür aufwenden können, nach wirklichen Lösungen zu suchen. Denn verdrängen, verleugnen und hadern sind keine wirklichen Lösungen.

In der folgenden Hörübung geht es darum, sich eine schwierige Situation vorzustellen, die damit einhergehenden Gefühle bewusst anzunehmen und weder zu verdrängen noch zu verleugnen. Die Übung dauert 7 Minuten.


Herausfordernden Situationen begegnen: Akzeptieren statt hadern

Bevor Sie mit der Übung beginnen, überlegen Sie sich eine leichte bis mittelschwere Situation, die Sie aufgewühlt, wütend oder sorgenvoll gestimmt hat. Vielleicht gab es einen Streit oder eine schwierige Situation?

Nehmen Sie dann eine möglichst bequeme Sitzposition ein, aufrecht, aber entspannt. Legen Sie die Hände locker auf die Oberschenkel und schließen Sie die Augen. Spüren Sie, wie der Atem einströmt, durch ihren Körper geht und schließlich wieder ausströmt.

Zu Beginn können Sie die schwierige Situation wie auf einer Kinoleinwand noch einmal vor sich ablaufen lassen. Wie fing alles an? Wer war beteiligt? Wie war der Verlauf? Wie endete die Szene? Nehmen Sie sich dafür einige Augenblicke Zeit.

Prüfen Sie für sich, ob Sie zwischen all den Gefühlen, die dadurch hervorgerufen werden, das stärkste benennen können. Angst, Traurigkeit, Ohnmacht, Wut, Sehnsucht?

Treten Sie innerlich einen Schritt zurück und benennen Sie das stärkste Gefühl klar aber sanft: „Das ist die Ohnmacht“ oder „das ist die Traurigkeit“.

Wenn es Ihnen schwerfällt, sich für ein Gefühl zu entscheiden, führen Sie sich vor Augen, dass Sie diese Übung jederzeit mit einem anderen Gefühl wiederholen können. Entscheiden Sie sich nun für das eine Gefühl, das sich jetzt gerade am dringlichsten, am wichtigsten anfühlt. Wenn Sie merken, dass Sie zögern, ist das in Ordnung. Sollten Sie sich von einem Gefühl überwältigt fühlen, dann richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem, so lange, bis Sie sich wieder stabiler fühlen. Gehen Sie in Ihrem Tempo vor.

Entscheiden Sie sich nun bewusst dafür, dieses Gefühl zuzulassen. Wenn wir beginnen, unangenehme Gefühle zuzulassen, haben wir die Chance, uns damit auseinanderzusetzen und uns nicht mehr so sehr davon beeinflussen zu lassen. Wir müssen dann nicht mehr vor ihnen weglaufen und sparen dadurch viel Energie.

Vielleicht bemerken Sie den Wunsch, dieses negative Gefühl zu verändern. Oder zu relativieren. Geben Sie diesem Impuls, zumindest für die Zeit dieser Übung, nicht nach, sondern lassen Sie das Gefühl vollends zu.

Wo spüren Sie das Gefühl in Ihrem Körper? Vielleicht in einem angespannten Muskel? Im Bauch? Oder als Schmerz in der Herzgegend? Wenden Sie sich dieser Stelle liebevoll zu. Eventuell gelingt es Ihnen, sich sanft in diesen Bereich hinein zu entspannen. Wenn Sie mögen, können Sie auch eine Hand auf diese Stelle legen.

Führen Sie sich vor Augen, dass es in dieser Übung nicht darum gehen soll, dieses Gefühl loszuwerden, sondern sich diesem zuzuwenden. Sagen Sie sich: „Ja, da ist mein Gefühl, es ist schwer zu ertragen und es gehört im Moment zu mir und meinem Leben dazu“. Akzeptieren Sie das Unbehagen als Teil Ihrer Realität, als Teil Ihres Erlebens. Es darf sein.

Hinweis:

Diese Übung wird oft als sehr heilsam empfunden. Wenn Sie sich danach aber aufgewühlt oder erschöpft fühlen, können folgende Hörübungen beruhigend wirken:

Dem Atem lauschen

Ein angenehmer Ort

Innehalten: Was würde mir jetzt guttun?

Alle Hörübungen finden Sie auch in Mein Bereich.